Wenn Kinder nur noch weg wollen
Die „verschwundenen“ Kinder © Feature von Erika Harzer, via BR Bayern 2, 14.03.2015
„Sie kommen aus Guatemala, El Salvador und Honduras. Sie sind Kinder oder Jugendliche und durchqueren alleine Mexiko. Zu Hunderten sitzen sie dicht gedrängt auf Dächern von Güterzügen und hoffen täglich aufs Neue, ihr Ziel zu erreichen: die USA. […]“
Auszug von wdr5.de, 08.06.2015
125 Morde in drei Tagen
„Die Gewalt von Drogenbanden im lateinamerikanischen El Salvador hat einen neuen traurigen Rekord erreicht: Binnen drei Tagen wurden mindestens 125 Menschen ermordet. […]“
Auszug aus blick.ch, 20.08.2015
Der tragische Exodus aus Mittelamerika
„[…] Zehntausende zentralamerikanische Kinder und Jugendliche suchen ihr Heil in den USA. Ohne Begleitung fliehen sie vor Gewalt, Armut […]“
Auszug von spiegel.de, 25.07.2014
Im Sumpf der Gewalt
„[…] Die Maras (Banden) haben sich für die armen Länder Mittelamerikas zum existentiellen Problem ausgeweitet. Sie kontrollieren ganze Landesteile, vergewaltigen, erpressen, morden und erledigen die Drecksarbeit für die Drogenhändler. El Salvador, Guatemala und Honduras haben mit die höchsten Mordraten der Welt. […]“
Auszug von sueddeutsche.de, 4.09.2009
Flucht vor Perspektivlosigkeit und Gewalt
Eine extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit, fehlende Bildungseinrichtungen in den Armenvierteln und eine damit verbundene Ausweg- und Perspektivlosigkeit treiben viele Kinder und Jugendlichen in den Ländern Mittelamerikas in die Arme krimineller Banden, die das schnelle Geld versprechen. Die Bandengewalt ist allgegenwärtig und treibt immer mehr Menschen Mittelamerikas zur Flucht. Viele Eltern schicken ihre Kinder bewusst auf den Weg in die USA, denn sie wollen ihnen damit ein Leben geprägt von Gangs und Drogenhandel ersparen. Der Weg dorthin ist gefährlich und in den Vereinigten Staaten erwartet die jungen Flüchtlinge zusätzlich ein harter Kampf um Asyl.
MS13-Gangmitglied mit Tätowierung © Federal Bureau of Investigation (FBI), wikimedia
Jugendliche im Bann der Gangs
Der Name Maras leitet sich ab vom Raubzug der Wanderameisen, Marabunta, die alles abfressen, was sich ihnen in den Weg stellt. Die Maras verständigen sich in einem eigenen Slang aus Amerikanisch und Spanisch. Ihr Kennzeichen sind Tätowierungen, die Gesicht, Kopf und Körper bedecken. Tätowierte Tränen unter dem Auge stehen für Ermordete, für jeden Toten kommt eine hinzu.
Mauern und Grenzpolizei können elsalvadorianische Immigranten nicht stoppen.
Erdbeben, Vulkanausbrüche, Überschwemmungen, Erdrutsche und Hurrikane machen El Salvador zu einer der krisenanfälligsten Regionen der Erde. Hinzu kommt die Kriminalität.
„El Salvador ist unsicher für Kinder geworden“, betont Blanca Irma, Pfarrerin der lutherischen Kirche in El Salvador. Bei Untersuchungen der UN-Kommission wurde dies auch festgestellt. „50 % der Menschen, die in die USA flüchten, sind schon Opfer der Kriminalität geworden oder ihr Leben ist bedroht.“ Rund 90.000 Jugendliche verlassen in 2014 das Land El Salvador. Allerdings wurden bis zum 30. Juni 2014 schon 13.300 Minderjährige wieder von der Grenzpolizei zurückgeschickt.
Die Situation der Familien, deren Kinder das Land verlassen, ist verzweifelt. „Eltern besuchen mich jede Woche. Ich sehe ihre Qual“, sagt P. Rafael Menjivar. „Dies ist sehr hart für mich. Ich sehe die Kinder heranwachsen. Und sehe, wie die Gefahren ihre Gesichter zeichnen.“
Häufig verschulden sich die Familien, damit ihre Kinder durch Schlepper in die USA kommen. Auf lange Jahre hinaus sind sie dann davon abhängig, dass die Angehörigen Mittel nach El Salvador schicken, damit sie ihre Schulden abzahlen können. Viele Minderjährige schaffen es aber nicht, so wie Francisco und Victoria. Sie kommen wieder zurück und die Bedrohungen wiederholen sich.
Die lutherischen Kirchen geben Stipendien, dass junge Leute eine Schule besuchen können. Denn die Perspektivlosigkeit für die jungen Menschen treibt sie in die Drogengangs, die Familienersatz und Geldgeber zugleich sind. Allerdings ist es ein gefährliches Spiel mit dem Tod.
Bischof Medardo Gomez lädt die Minderjährigen in die lutherischen Gemeinden ein. „Wir möchten, dass sie zusammen für ein würdiges Leben eintreten. Nur zusammen können wir die Situation ändern.“ In einem ehemaligen Flüchtlingslager bietet die Kirche Unterricht für den Anbau von Feldfrüchten an. Damit können die jungen Leute lernen, auf dem Land zu leben und müssen nicht in die Stadt, die wenige Einkommensmöglichkeiten für die jungen Menschen bietet.
Angst vor Gewalt…
Victoria ist 17 Jahre alt. Ihre Familie wohnt in einer ländlichen Gegend etwa eine Stunde entfernt von der Hauptstadt San Salvador. „Ihre Nachbarschaft wird von einer Drogenbande kontrolliert“, erklärt ihr Pfarrer. „Victoria hatte nichts mit ihnen zu tun, aber die konkurrierende Drogenbande glaubte ihr nicht. Sie belästigten sie ständig auf dem Weg zur Schule. Zu Hause erhielt sie telefonische Drohungen. Daraufhin hörte sie auf, in die Schule zu gehen und hoffte, dass damit auch der Telefonterror aufhören würde. Dies war aber nicht der Fall.“ Aus Furcht um ihr Leben schickten die Eltern Victoria in die USA. Die Grenzpolizei erwischte sie, und drei Wochen lang wurde sie in einem Lager für Minderjährige festgehalten. Nun wartet sie darauf, dass ein Jugendgericht ihr die Möglichkeit gibt, in den USA bleiben zu können.
In San Miguel steckt Francisco, 16 Jahre alt, in einem anderen Dilemma. Normalerweise ist diese Gegend in dem ländlichen Raum weniger von der Kriminalität betroffen. „Bis dann ein Drogendealer begann, eine neue Clique in der Gegend zu gründen“, erzählt die ältere Schwester. „Einige Jungs aus dem Stadtviertel schlossen sich der Gang an, Francisco lehnte es ab. Damit begannen dann die Drohungen.“ Die Drogenbanden machen deutlich: „Entweder du schließt dich uns an oder du stirbst.“ Franciscos Familie hatte keine Chance. Im Juni dieses Jahres versuchte sie in den Norden zu fliehen. Zur Überraschung aller gelang es ihr über die Grenze zu kommen und ist somit außerhalb der Reichweite der Gangs und damit in Sicherheit.
Minderjährige auf der Flucht: Mit dem Güterzug Richtung USA © Spiegel TV, www.youtube.com