Europa und Deutschland verlassen
Bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhundert dominierte in ganz Europa, nicht nur in Deutschland, die Auswanderung nach Übersee. Zwischen 1815 und 1939 wanderten mehr als 50 Mio. Europäer nach Übersee aus, darunter fast 30 Mio. in die USA. Nord- und Südamerika blieben allerdings nicht die eizigen Ziele.
Die quantitativ bedeutendste Form der Migration bildeten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zudem ethnische Säuberungen bzw. Vertreibung und Umsiedlung ethnischer Gruppen nach dem Ersten Weltkrieg sowie während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Davon betroffen waren zwischen 1918 und 1950 in Summe weit mehr als 20 Mio. Menschen.
Damit ist die Geschichte Deutschlands nicht erst seit Bestehen der Bundesrepublik durch Zu- und Abwanderungen als Massenbewegungen geprägt. Migration hat in Deutschland eine lange Tradition. Die Gründe hierfür sind seit Jahrhunderten im Wesentlichen die Gleichen: Das Streben nach einem besseren Leben für sich selbst oder für die Nachkommen, die Furcht vor politisch, ethnisch oder religiös motivierter Verfolgung oder die gewaltsame Vertreibung.
Auswanderung oder Emigration
Der Begriff Emigration kommt vom lateinischen ex (hinaus) und migrare (wandern) und bezeichnet das Verlassen eines Heimatlandes auf Dauer. Emigranten oder Auswanderer verlassen ihre Heimat entweder freiwillig oder gezwungenermaßen aus verschiedenen Gründen (z. B. wirtschaftlichen, religiösen, politischen oder persönlichen etc.). Auf die Auswanderung aus einem Land folgt die Einwanderung in ein anderes. Der Wohnsitzwechsel innerhalb eines festgelegten Gebietes wird hingegen als Binnenmigration bezeichnet. Meist wandern Einzelpersonen oder einzelne Familien aus; in der Geschichte gab es aber auch Auswanderungen von großen Bevölkerungsgruppen.
Historisches Beispiel: Auswandern nach Amerika –
von Hamburg in die „Neue Welt“
Was sind Auswandererschiffe?
Auswandererschiffe waren Dampf- oder Segelschiffe, die vornehmlich zur Beförderung von Emigranten nach Nordamerika und anderen überseeischen Ländern bestimmt waren. Der Komfort und die Ausrüstung waren spärlich. Der Begriff der Auswandererschiffe wurde vor allem im 19. Jahrhundert geprägt.
Deutsche Emigranten gehen an Bord eines in die USA fahrenden Dampfers (um 1850)
Gut fünf Millionen Menschen verließen Europa zwischen 1850 und 1934 über den Hamburger Hafen. Die Auswanderer reisten unter oft schweren Bedingungen aus ganz Europa nach Hamburg. Ihr Ziel: die „Neue Welt“, Amerika. Die Gründe für ihre Ausreise (der mehrheitlich verarmten Bauern aus Deutschland) waren aber keinesfalls romantischer Natur – die meisten reisten aus purer Not, und nicht alle überlebten die enormen Strapazen der Überfahrt. Für die Reedereien waren die Massen von Auswanderern ein gutes Geschäft.
Auch wenn die Schiffe nach Amerika oft gut ausgestattet waren, war die Fahrt für die Flüchtlinge eine Tortur. Während auf dem Oberdeck getafelt und gefeiert wurde, wurden im Zwischendeck die Flüchtlinge unter menschenunwürdigen Zuständen zusammengepfercht – je mehr, desto besser. Auf 50 Passagiere kam eine Toilette, Krankheiten breiteten sich in Windeseile aus. Sechs Wochen lang dauerte die Reise auf einem Segelschiff.
Zum bedeutenden Auswandererhafen wurde Hamburg durch clevere Geschäftsleute, die erkannten, dass sich mit den Auswanderern Geld verdienen ließ. Um genügend Auswanderer in die Stadt zu locken, warben die großen Reedereien in ganz Deutschland und Osteuropa für den Transport ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Immer mehr Flüchtlinge strömten daraufhin nach Hamburg und bald reichten die städtischen Auswandererbaracken nicht mehr aus. Als sie 1898 abgerissen werden sollten, ergriff der Hamburger Reeder Albert Ballin die Chance und baute seine schon länger geplanten Auswandererhallen, die 1901 eingeweiht und drei Jahre später erweitert wurden. In diesen Hallen im Stadtteil Veddel fanden zunächst 1200, später 5000 Menschen Platz. Es gab neben Schlaf- und Speisesälen, medizinischer Betreuung und Waschsälen sogar eine Kirche und eine Synagoge.
nach www.planet-wissen.de
Deutsche Auswanderung heute…
Deutschland ist ein Magnet für Zuwanderer – doch zugleich steigt auch die Abwanderung stark an. Einheimische kehren der Bundesrepublik besonders oft den Rücken, unter ihnen viele Ärzte und Forscher.
Auswanderer aus Deutschland
(erfasst 2013 in insgesamt 130 Staaten,
Quelle: UNDESA 2013a)
Beliebtester Zielstaat für deutsche Auswanderer
(2004-2013, Quelle: Statistisches Bundesamt)
Motive für die Auswanderung
Die Motive für das Verlassen Deutschlands sind vielfältig. Vor allem innerhalb der Europäischen Union dominiert die zirkuläre Arbeitsmigration: Die Menschen nutzen die hier geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit und gehen dorthin, wo es Jobs gibt. Wissenschaftler und Ärzte gelten als besonders mobil. Laut Bundesärztekammer verließen 2013 gut 3000 Mediziner das Land. Vor allem die Schweiz und Österreich, aber auch die USA locken den medizinischen Nachwuchs, während hierzulande vor einem wachsenden Ärztemangel gewarnt wird. Allerdings profitiert Deutschland wiederum vom Zuzug von Ärzten, die vor allem aus Osteuropa kommen. Für deutsche Forscher sind wegen der guten Arbeitsbedingungen die USA ein Magnet.
Hauptmotive für die Auswanderung nach Häufigkeit
(Quelle: Studie International Mobil 2015)
Deutschsprachige Evangelische Gemeinden im Ausland
Deutschsprachige evangelische Gemeinden gibt es weltweit. Sie sind eine Anlauf – und Kontaktstelle für Deutsche im Ausland. Sie bieten mit ihrer vertrauten Infrastruktur eine Art Netz für das Abenteuer Auslandsaufenthalt. Die Aktivitäten der deutschsprachigen evangelischen Gemeinden im Ausland bieten vom Konfirmationsunterricht bis zum Literaturkreis viele Möglichkeiten, sich zu engagieren und sich mit Menschen in ähnlichen Lebenssituationen auszutauschen. Egal ob man sich für den Gottesdienst interessiert oder nur mal gern wieder Deutsch sprechen möchte. Auf der Website der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD) gibt es mehr Informationen zu den Gemeinden sowie eine Übersicht nach Ländern, wo diese genau zu finden sind.
Migration hinterlässt Spuren
Migration gibt es seit Beginn der Menschheitsgeschichte. Teile der Weltbevölkerung waren auf der Suche nach Sicherheit in all ihren Aspekten immer in Bewegung. Und Deutschland ist dabei nicht immer nur ein Ziel der Migration gewesen, sondern auch ein Ausgangspunkt. In vielen Staaten der Welt kann das heute an deutschen Städtenamen festgemacht werden und rund jeder sechste US-Amerikaner hatte laut einer Volkszählung aus dem Jahr 2000 deutsche Wurzeln.
Wenn Menschen auswandern, lassen sie einen großen Teil ihres bisherigen Lebens zurück: Familie, Freunde, ihr Haus, ihre Stadt – alles, was ihnen bisher vertraut war.
Sie nehmen aber auch Vieles mit: ihre Erinnerungen und Geschichten, ihre Sprache, ihr Wissen, Traditionen und Bräuche. Im Lauf der Generationen verschmelzen diese mitgebrachten Merkmale mit der neuen Kultur und werden oftmals nicht mehr als „fremd“ wahrgenommen.
Beispiel: Blumenau in Brasilien
Oktoberfest in Blumenau, Brasilien © ZDF
Das zweitgrößte Oktoberfest der Welt ist in Blumenau, Brasilien. Die Großstadt im Bundesstaat Santa Catarina wurde 1850 von deutschen Einwanderern unter Leitung des Apothekers Hermann Blumenau gegründet und ist neben Joinville und Brusque eines der drei Zentren der deutschen Kolonisation in Santa Catarina. Die bei vielen Besuchern beliebten Fachwerkhäuser (z. B. Prefeitura Municipal, Casa Moellmann) stammen allerdings meist aus neuester Zeit.
Ungefähr in den ersten 100 Jahren nach der Gründung der Kolonie war Deutsch die vorherrschende Sprache in Blumenau. Sie wurde zunächst als einzige Sprache verwendet, da die ersten Kolonisten ausschließlich aus Deutschland kamen. Die deutschsprachigen Auswanderer und deren Nachfahren verfügten über eine gute Infrastruktur aus Schulen, Vereinen, Theatern und ähnlichen Einrichtungen. Unter dem mit diktatorischen Vollmachten ausgestatteten Präsidenten Getúlio Vargas wurde in Brasilien jedoch eine Nationalisierungskampagne durchgeführt, die auch die deutschsprachige Gemeinschaft betraf, da der Staat den Assimilierungsprozess forcierte. Als Brasilien auf Seiten der Alliierten in den Zweiten Weltkrieg eintrat, verschärfte sich die Situation für die deutschsprachige Bevölkerung nochmals. Schulen, in denen auf Deutsch unterrichtet wurde, wurden geschlossen, die Verwendung der deutschen Sprache wurde verboten und das Portugiesische hielt auch in Blumenau Einzug.
Obwohl heute Portugiesisch die vorherrschende Sprache in Blumenau ist, hat sich in Teilen der Bevölkerung Deutsch als Umgangssprache erhalten.
Weiteres Material zum Thema
Aufbruch in die Neue Welt – Dokumentation
Aufbruch in die Neue Welt – Auswandern vor 200 Jahren © Planet Wissen, 2012
Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Das Deutsche Auswandererhaus ist ein Museum in Bremerhaven. Sein Hauptthema ist die Auswanderung Deutscher in die USA in verschiedenen Epochen. Es liegt unmittelbar am Neuen Hafen. In einem Rundgang können die Besucher die einzelnen Stationen einer Auswanderung verfolgen und verschiedene Datenbanken kostenlos abfragen. Das Gebäude mit einer Nutzfläche von 4200 Quadratmetern wurde am 8. August 2005 eröffnet.